Als am 20. November 1949 die Abteilung Ringen des SC Anger gegründet wurde, war Hans Nitzinger gerade einmal 14 Jahre alt. Nun, exakt 71 Jahre später am 20. November 2020, findet das Urgestein am Angerer Waldfriedhof seine letzte Ruhestätte, nachdem er am 9. November im Alter von 85 Jahren verstorben ist. Hans Nitzinger und der SC Anger Ringen: Es gibt wohl niemanden, der die Geschichte der Abteilung so sehr geprägt hat wie er.
Foto: SC Anger/Koch
Aktiver Ringer, langjähriger Schülertrainer sowie Abteilungsleiter, Schriftführer und Schiedsrichter – in seinen unzähligen Jahren für den SCA bekleidete der Högler so ziemlich alle Funktionen und übte dabei jedes Amt, auch als Sportwart des Bezirks Inn-Chiem, gewissenhaft und mit größtem Fleiß aus. Auch nach der Verabschiedung in den verdienten Abteilungs-Ruhestand blieb Hans dem Ringen selbstverständlich treu verbunden und verpasste nie einen Heimkampf seines SCA. Solange es sein Körper zuließ, half er stets beim Aufräumen nach den Wettkämpfen und den legendären Ringerfestln. Nach seiner aktiven Laufbahn war es vor allem sein Einsatz als Schülertrainer und Abteilungsleiter, durch den die Angerer Ringer mit ihren jungen Talenten innerhalb von knapp zehn Jahren den Durchmarsch von der untersten Klasse bis in die Bundesliga schafften und so zu einem bekannten Begriff in ganz Ringer-Deutschland wurden. In seine Zeit als Abteilungsleiter, ein Amt, das er zwischen 1965 und 1982 für stolze 17 Jahre ausführte, fielen auch die ersten Deutschen Meistertitel für den SCA, wobei die Ringer zudem noch seiner Trainerschule entstammten.
Beim Kröpflwirt, der damaligen Wettkampfstätte des SCA, wurden alle Heimsiege, Aufstiege und Meistertitel selbstredend gebührend gefeiert. Auch seine ans Herz gewachsenen Schülerringer lud er nach Turnieren oder Auswärtskämpfen oft ins „Krepfei“ ein, spendierte ihnen eine Brotzeit und fuhr sie anschließend noch nach Hause. Dass der Kröpflwirt damals zur festen Trainings- und Wettkampfstätte der Angerer Ringer wurde, ist ebenfalls maßgeblich Hans Nitzinger zu verdanken, der mit seinen Vereinskollegen und vielen Helfern in unzähligen Arbeitsstunden 1965 das ehemalige Salettl um- und 1973 ausbaute. Es diente bis zum Bau der Sporthalle 1985 in Aufham als Trainings- und Wettkampfstätte. Als seine Mannschaftskollegen und später seine ehemaligen Schützlinge ihre Häuser bauten, war der gelernte Maurer ebenfalls auf jeder Baustelle anzutreffen und half tatkräftig mit.
Viel Zeit und Energie investierte er auch in den Umbau seines Elternhauses, sodass aus dem kleinen Häuschen am Högl das „Haus Schönblick“ wurde. Diese Pension, die oft die erste Anlaufstelle für neue ausländische Athleten in Anger war, wird vielen Ringern und Schiedsrichtern in ganz Deutschland ein Begriff sein. Nach Turnieren, Mannschafts- und Freundschaftskämpfen wurde gern dort übernachtet, wobei neben der Gastfreundschaft wohl der Blick auf das grandiose Bergpanorama, insbesondere den Hochstaufen (Hans‘ Lieblingsberg), faszinierte, sodass viele Jahrzehnte lang das Haus Schönblick am Högl auch als Urlaubsdomizil gewählt wurde. Von der Übernahme von den Eltern 1978 an bis dato führte er die Pension zusammen mit seiner Frau Ulli, die der lebenslange Blas-, Volks-, und Stubenmusik Fan 1962 „stilartfremd“ beim Rock’n’Roll Tanzen kennenlernte. Bereits zwei Jahre später heirateten die beiden und ihre Ehe wurde mit vier Töchtern, die Hans über alles liebte, gesegnet. Ein Sohn fürs Ringen – Frauenringen gab es damals leider noch nicht – blieb ihm damit zwar erstmal verwehrt, doch schon eine Generation später konnte er sich voller Stolz über die Erfolge seiner Enkelin Theresa und seines Enkels Mathias auf der Matte freuen. Beide haben inzwischen auch einen Trainerschein und führen damit das Erbe ihres Großvaters fort. Ihr Vater Raymund, Hans‘ Schwiegersohn, stammte zwar ursprünglich vom damaligen Erzrivalen AC Bad Reichenhall, wurde aber bereits vor vielen Jahren erfolgreich beim SC Anger integriert und ist ebenfalls als Trainer und 2. Abteilungsleiter tätig. Mit seinem Lebenswerk in guten Händen dürfte Hans, ein Ringer mit Leib und Seele, zufrieden von uns gegangen sein. Auch sein Herzenswunsch, in seinem Geburtshaus sterben zu können, wurde ihm von seiner Familie erfüllt und er verstarb sogar im gleichen Raum, in dem er am 4. Juni 1935 das Licht der Welt erblickt hatte.