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Organisation ist alles |
Die
führende Rolle unter den Münchner Ringern hatte um die Jahrhundertwende Hans
Beck inne. Geboren am 2.6.1862 im niederbayerischen Achdorf bei
Landshut, wurde er durch das Militär nach München verschlagen. Beck
war nicht nur Ringer, sondern, wie damals üblich, auch Gewichtheber. Er
gewann 1896 die Europameisterschaft im Gewichtheben und wurde
Weltmeister im Faßheben. In seiner Münchner
Gaststätte „Zum ewigen Licht“ konnte er mit dem 81-Liter
Bierfaß hervorragend Krafttraining betreiben. Beck
bildete Profis wie Zoller, Hitzler, Plonnen, Bödermann und Welsch aus.
Vor allem sorgte er bereits 1893 dafür, dass die ansonsten engstirnigen Münchner
Vereine dem 1891 gegründeten
Deutschen Athleten-Verband (DAV) beitraten, auch wenn dessen
Vorsitzender Bredemeyer aus dem fernen Köln stammte. Mag sein, dass die
Profiringer dem Amateuerringkampf einen Bärendienst leisteten, doch
sorgten sie für eine rasante Popularität. Noch heute heftet an den
Ringern unschuldig ein fader Beigeschmack von diesen damaligen Jahrmarkts-
und Zirkusringern. Doch jeder Fachmann kann diese hundert Jahre alten
Vorurteile schnell entkräftigen.
Foto:
Profiringer M. Hitzler aus München Als
am 1.9.1895 der Bayerische
Athletenverband gegründet wurde, schlug die Geburtsstunde des
heutigen BRV. Der
Beitritt des Bayerischen Verbandes
zum DAV fand allerdings erst am 20.5.1899
statt. Vorsitzender in Bayern wurde ein halbes Jahr später Jakob
Dirscherl (SC Armin München).
Foto:
Jakob Dirscherl Der
nur 70 kg schwere Hans Schneider aus Nürnberg errang 1899 in der
Leichtgewichtsklasse bis 80 kg die
inoffizielle Deutsche Meisterschaft für den ASC 1892 Nürnberg. Der
neue DAV-Kreis hatte laut dem Finanzreferenten, damals noch Kreiskassier
genannt, J. Schmoll aus Nürnberg in der Wölernstr. 9, allein in Bayern,
dem IX. Kreis des DAV, im Jahr 1901 insgesamt 58
Vereine mit 1800 Mitgliedern. Hier ein Teil dieser Vereine aus dem IX.
Kreis: 1.
Athleten-Klub München, Athletenklub Monachia München, Kraftsportklub München-Neuhausen,
Athleten-Klub Siegfried München, Athletenklub Schwabing München, München-Au,
1. Bäckerstemmklub "Gut Kraft" München, Kraft-Sport-Klub München
West (Gasthaus zum Reichsapfel, Tulbeckstr. 13), 1. Ring- und Stemmklub München-Haidhausen
(trainierte im Gasthaus Rosenheimer Bierhalle in der Rosenheimer Straße),
Athleten-Klub Herkules München (trainierte im "Sächsischen
Hof" Ickstattstraße 10), Achilles 1893 München (trainierte im Gasthaus
"Prinz Alfons" in der Kazmairstr. 32), TSV 1860 München,
Athleten-Klub Germania München 1881, Ring- und Stemmklub
König Ludwig II. München 1897
(trainierte im Gasthaus "Zum Storchen" in der Goethestraße
17), KSC Neufreimann, Fleischer-Klub München und Kraftsport-Klub
Armin München 1893 (1901 Turnier im Alhambrasaal in der Adlzreiterstr.
22 im gr.-röm. Stil, 1. Sieger wurde Heinrich Kratz ). Dieser heute noch
existierende Verein SC Armin München
entstand aus dem Kraftsportklub Isaria München, dem Kraftsport-Klub Armin
München und man fusionierte 1895 mit Germania München zum SC Armin München.
Die
Isarmetropole benötigte deshalb einen eigenen Stadtverband und
Ehrenpreise für die Ringer stiftete kein geringerer als seine Königliche
Hoheit Ludwig der II. bzw. ab
1886 der Prinzregent Luitpold. Zu Beginn des nächsten Jahrhunderts
komplettierte der SC 06 München und die Spvgg München den Stadtverband.
Hans Beck verstarb 1935 mit 73 Jahren und erreichte für damalige Zeiten
ein hohes Alter. Vom AC Miesbach 1909 wurde Georg Schnitzenbaumer in den
20er Jahren ein erfolgreicher Ringer. Er brachte es bis zum Gaumeister,
Bayerischen Vizemeister und einem vierten DM-Platz 1923
in Erfurt. Ansonsten ist mir von den oberbayerischen Ringervereinen
aus dem Alpengebiet nichts schriftliches bekannt. Gute Ringer brachte ab
1922 der Wasserburger Arbeitersportverein hervor. Seine Ringer brachten es
bis zur Teilnahme an der Arbeiterolympiade in Wien. 1933 wurde auch dieser
Verein gewaltsam aufgelöst. In
Niederbayern und der
Oberpfalz existierten um die Jahrhundertwende: Stemmverein
Landshut, Athleten-Klub Riedenburg, Athletenclub Weiden 1897 (trainierte
im Gasthaus zur Sonne), Athleten-Stemmklub
Regensburg , 1. Athletenclub Ingolstadt (Ausrichter des Kreisfestes
und damit der Landesmeisterschaften 1901), Athleten-Klub Straubing,
Stemmklub Lechausen, Athletenklub Bavaria Neuburg a. D., SV Felsenfest
Neustadt a. d. Waldnaab und der 1. Athleten-Klub Passau 1893. Im Gasthaus
Birkeneder schlug die Geburtsstunde der Passauer Ringer. Es folgte der
Umzug in die Gaststätte „Zur Birne“ in der Theresienstraße und
anschließend in den „Schmeroldkeller“. Auch dieser Verein blieb im
Laufe dieses Jahrhunderts auf der Strecke. 1904
wurde der Athletenclub Deutsche Eiche Geiselhöring und die
Kraftsportabteilung beim TV 1862 Geiselhöring gegründet. Zumindest der
TV Geiselhöring existiert noch. Die
Ringerabteilung der FTSpV Regensburg bestand mindestens ab 1923. Am
5.5.1923 fand zwischen der FTSpV Regensburg und dem SV St. Johannis Nürnberg
ein Vergleichskampf in der Stadthalle Regensburg
statt. Der Eintritt kostete laut dem Plakat stolze 600 Mark. In
Schwaben hatten sich dem
Bayerischen Kreis angeschlossen: 1.
Athleten-Klub Augsburg, Athleten-Klub Augusta Augsburg 1892 (vermutlich
der jetzige TSV Augsburg Kriegshaber), Athleten-Klub Kempten, Stemmverein
Kempten, Stemmklub Mering (vermutlich der älteste Ringerverein in
Schwaben und Vorgänger des jetzigen TSC), Olympia Kaufbeuren
und u. a. der Athleten-Klub Neu-Ulm. Einheitliche
Gewichtsklassen waren bei den fortschrittlichen Bayern bereits um die Jahrhundertwende
eingeführt worden und sie lauteten für die Ringer : 130 Pfund, 155 Pfund und
über 155 Pfund. Im
Bundesverband DAV waren dagegen die Gewichtsklassen noch nicht
offiziell festgeschrieben, was außerhalb Bayerns zu vielen Unklarheiten führte.
Der
Bezirk Main-Spessart war übrigens
schon immer nach Hessen orientiert. Der bayerische Regierungsbezirk
zwischen Odenwald, Spessart, Rhön und Steigerwald hatte seine eigene
Geschichte. Das Fürstentum Aschaffenburg wurde 1814 Bayern einverleibt.
Als das Großherzogtum Würzburg wenige Wochen später
per Besitzergreifungspatent ebenfalls an Bayernkönig Max Joseph
fallen sollte, gab es für diesen Teil noch einen kurzen Umweg. Der größte
Part ging aus vertraglichen Gründen an den habsburger Kaiser nach Österreich.
Erst zwei Stunden später konnte der bayerische König das ehemalige
Hochstift sein eigen nennen. Vorausgegangen
war der Vertrag von Paris. 1813 hatten Österreich und Bayern nach dem
Sieg über Napoleon den Zuwachs ihrer Gebiete vereinbart. Der nördliche
Teil Tirols wechselte nach jahrelanger bayerischer und französischer
Unterdrückung wieder von Bayern zurück nach Österreich und
dafür kam Unterfranken als Entschädigung zu Bayern. Ohne
Napoleon und Fürst von Metternich wären die Unterfranken somit nie
politische Bayern geworden. Speziell
Würzburg war über diese Tauschaufgabe nicht besonders erfreut. Schon im
Zuge der Säkularisation war das jahrhundertelang selbständige Bistum
zwischen 1802 und 1806 ein von „Bayern besetzter Teil“ geworden. Den
Verlust der Selbständigkeit konnten die Unterfranken weder 1802 noch 1814
verzeihen. Das Wittelsbacher Königshaus bemühte sich anschließend zwar
um Integration, so ließ Ludwig I. in Bad Kissingen große Kurbauten
erstellen, erhob Bad Brückenau zum Heilbad und baute in Aschaffenburg
nach antikem Vorbild das „Pompeianum“, doch so richtig warm wurde der
Maingau in der Zwangsehe mit den Altbayern nie. Erst 1838 wurde der
Untermainkreis in „Kreis
Unterfranken und Aschaffenburg“ umgetauft. In der NS-Zeit hieß die
Gegend 100 Jahre später dann in Anlehnung an den Parteigau
„Mainfranken“. Der
Begriff „Unterfranken“ entstand erst 1945, sehr zum leidigen Verdruß
der Aschaffenburger, die sich bei der erneuten Namensgebung absolut übergangen
fühlten. Doch zurück zur letzten Jahrtausendwende und den Ringern dieser
Gegend. Bereits
am 30.10.1898 gründeten die
„Untermainfranken“ im 2. Kreis des DAV den Unterverband Main-Spessartgau
und fanden seitdem sportlich nie mehr nach Bayern zurück. Älteste
Vereine dürften hier Frankonia Großostheim 1899, sowie die beiden Stemm-
und Ringvereine Alzenau und
Großkrotzenberg sein. 1900 war Gründungsjahr für den RV Kahl, AK
Germania Schweinheim und Frankonia Groß-Ostheim,
1902 folgte der Athleten-Klub Bavaria Goldbach, 1904 Jugendkraft
Obernburg, 1905 Einigkeit Damm und der KSC Hösbach, 1907 Felsenfest
Haibach. Zur Vervollständigung sei noch erwähnt: 1910 SC Jugendkraft
Wasserlos, StuRV Dettingen, KSC Alzenau, KSC Germania Niedernberg,
Sportclub Jugendbund Kleinostheim, AV
Schaafheim, 1912 KSC Hörstein und Viktoria Gailbach,
1919 KSC Felsenfest Niedersteinbach, SV Vorwärts Kleinostheim,
1924 Sportclub Siegfried Kleinostheim und 1927 Bavaria Waldaschaff sowie Germania Kleinkahl und KSC
Walhalla Omersbach. Ebenso
fehlten schon immer die Vereine aus der Pfalz. Über Jahrhundert gehörte
die Pfalz zu Bayern. Selbst in der Weimarer Republik galt dies noch. Die
Ringer aus der Pfalz gehörten von Beginn an aus geographischen Gründen
allerdings nie zu Bayern. |