17. Schulringen

 

Mit Schreiben vom 26.1.1977 gab das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus dem Landesjugendleiter Jakob Tratz einen ablehnenden Bescheid zum Thema Schulringen. Tratz hatte immer den Fuß in der Tür und wollte im Rahmen des differenzierten Sportunterrichts endlich auch das Freistilringen einführen. Im neuen curricularen Lehrplan für die allgemeinbildenden Schulen fanden zwar 21 Sportarten Berücksichtigung, doch Ringen war nicht dabei. Ein gewaltiger Kraftakt mußte noch bewältigt werden, um hier ein Umdenken zu erreichen. Allerdings genehmigte das Ministerium einzelne Ausnahmen für Interessengruppen. Was Tratz 1977 begonnen hatte, sollte nach unermüdlicher Aufbauarbeit Josef-Karl Neudorfer (SV Untergriesbach) erst 11 Jahre später in die Realität umsetzen. Er muß als „Vater“ des Schulringens ins Bayern bezeichnet werden.

 1978 stammten in der Bundesliga Gruppe Süd mit Freising, Kelheim, Hallbergmoos und Reichenhall immerhin vier von zehn Staffeln aus dem BRV-Bereich. Die Reichenhaller waren als Deutscher Regionalligameister 1977 aufgestiegen. Mit Anger, Trostberg, Traunstein, Berchtesgaden, Untergriesbach und Mietraching waren weitere sechs BRV-Riegen zweitklassig in der Regionalliga Süd. Der SC Anger schaffte diese Liga bis zur Jahrtausendwende mit überwiegend eigenem Nachwuchs zu halten.

 Eine Schlappe gab es für den DRB beim „Großen Preis der BRD“ in Freiburg. Die DDR-Freistilathleten gewannen sechs von zehn Gewichtsklassen. Aus Bayern war nur Neumair vertreten und belegte hinter Uwe Neupert Rang zwei im Halbschwergewicht. Dieses Ergebnis konnte er in Clermont-Ferrand bei einem weiteren internationalen Turnier wiederholen und in Budapest holte er Bronze.

In Aschaffenburg wiederholte sich das Trauerspiel beim „Großen Preis der BRD“ im klassischen Stil. Diesmal waren es nicht die Genossen aus der Zone, sondern Rumänien sahnte viermal ab. Federgewichtler Peter Grabinger (Kelheim) als Fünfter war der einzige Bayer.

 Bei der Männer Freistil-DM in Bad Kreuznach erreichten Medaillen: 52 kg 3. Peter Dorfner,  74 kg 2. Hermann Lohr (beide Kelheim), 90 kg 1. Neumair (Hallbergmoos) und +100 1. Wolff (Kelheim) und 3. Max Schröger aus dem niederbayerischen Untergriesbach.

 Im gr.-röm. Stil standen in Riegelsberg auf dem Treppchen: 48 kg 1. Hans Eglseer, 57 kg 2. Hans, 3. Fritz Huber (alle Reichenhall), 62 kg 3. Peter Grabinger und +100 1. Wolff (beide Kelheim). Wandervogel Robert Geigl war zwischenzeitlich nach Witten gewechselt und holte für die Westfalen Silber im Federgewicht. Von diesen Ringer durfte keiner mit nach Oslo zur EM. Ostermann verzichtete  auf Juniorenringer Eglseer und gab dem Köllerbacher Kleer den Vorzug. Sein saarländischer Landsmann schied leider nach zwei Schulterniederlagen aus. Bayern hatte offensichtlich keine Lobby mehr und die internationalen Fahrkarten konnten selbst mit Platz eins bei einer DM nicht mehr garantiert werden.

 Wieder ohne Bayern verlief die gr.-röm. WM in Mexico-City.

 An Neumair kam Ostermann jedoch nicht vorbei. In Athen holte er sich einen Turniersieg und zur Freistil-EM in Sofia durfte er ebenfalls mitfahren. Dort belegte Peter Platz fünf. Turniersieger wurde in dieser Klasse Uwe Neupert.

 Beim Werner-Seelenbinder-Turnier in Leipzig gewann Peter 1978 Silber und in Mexico-City verfehlt er bei der Freistil-WM mit Rang vier knapp Bronze. Weltmeister wurde prompt sein neuer Dauerkontrahent Neupert aus Jena.

 Mit 18,4 Jahren hatte die WKG Nürnberg/Gostenhof das jüngste Durchschnittsalter in der Bayernligasaison 1978. In einer phantastischen Serie blieben sie zwei Jahre ungeschlagen und glänzte mit dem Aufstieg in die Regionalliga. Südmeister AC Penzberg und Württembergs Meister KSV Unterelchingen konnten der WKG bei  der Rückkehr in die 2. Liga kein Bein stellen. Auf dem Bild stehen in der hinteren Reihe von links: Böckl, M. Baumeister, Reichold, Kirchknopf, Senygit, Wittmann, Maderer, Pöhlmann, Reimchen und G. Baumeister. Kniend von links: Trainer Rebel, Weber, G. Schmitt, Craft, Besold, Backert und U. Schmitt.

 

Foto: Bayernligameister WKG Nürnberg/Gostenhof im Januar 1979

 Trotz Erreichens dieses großen sportlichen Erfolges ging die Ringerehe am 30.4.1979 nach fünf Jahren auseinander. Der SV Gostenhof 03 begann die ersten Schritte in die neue Selbständigkeit  ganz unten in der Kreisklasse, während Johannis die Regionalligasaison alleine bestreiten wollte. Die Erzrivalen Johannis und 04 planten zwar eine WKG, fanden am Tisch aber nie zu Verhandlungen zusammen. Lediglich zur 75-Jahrfeier von 04 bildeten sie am 16.6.1979 eine gemeinsame Stadtauswahl um in der Rollnerstraße gegen SC Csepel Budapest eine schlagkräftige Staffel stellen zu können.

 Um zur Jugend-WM nach Colorado fahren zu dürfen, mußte der  Deutsche Jugendmeister Rainer Weber nach Ansicht des DRB satte 1.500 DM selbst beisteuern. Er fand im Spielzeughersteller BIG einen Sponsor für Flug und damit auch für seine Goldmedaille. In seiner Heimatpresse erhielt er den Beinamen „Herkules von Katzwang“.

 Nebenbei noch erwähnt: 1979 wurde in Lichtenfels ein Pokal-Turnier der Bayerischen Jugendbezirksmannschaften ausgetragen. Es gewann der Bezirk Main-Spessart vor Mittelfranken. Heugabel und Rachor aus dem Maingau sowie der Jugendweltmeister Weber aus Nürnberg waren die herausragenden Akteure. Der von den Unterfranken verpaßt Schock saß anschließend so tief, dass für die A-Jugend dieses Bezirkspokal-Turnier vom BRV für einige Jahre wieder völlig auf Eis gelegt wurde. Ober-/Unterfranken belegte unter der Leitung des Bezirksjugendleiters Dieter Tammler übrigens den letzten Platz.

 Für den Olympiakader gab es in beiden Stilarten im Januar 1979 folgende Nominierungen aus bayerischer Sicht: 90 kg  F, Peter Neumair. Das war es dann auch schon. Grabinger gewann zwar 1979 erneut im Federgewicht Silber, mußte jedoch Thomas Passarelli weichen. Hermann Lohr holte im Freistil ebenfalls Gold im Leichtgewicht, fand aber genauso keine Berücksichtigung. Erstmalig nicht in die Siegerlisten war Peter Neumair eingetragen.

 Er holte dies jedoch 1980 mit dem Gewinn seiner letzten Deutschen Meisterschaft im Halbschwergewicht nach. In der Saalestadt Hof gab er Detlef Englich das Nachsehen bei seinem elften Männertitel. Peter Stettinius (Hof) und Max Schröger (Untergriesbach) erreichten noch Silber und Bronze ging an F. Hartmann aus Hallbergmoos.

 Beim „Großen Preis von Deutschland“ holte sich Neumair  im Olympiajahr ebenfalls den Siegerlorbeer und stand Dank seiner Erfahrung endlich in seinem Leistungszenit.

Meines Wissens war dies aber gleichzeitig der endgültige Abschied des Goldachers von internationalen und auch nationalen Einsätzen. Weder Geld noch gute Worte hatten ihn aus dem Erdinger Moos nach Schifferstadt oder Witten locken können. Leider mußte er wegen einer ständigen Schulterverletzung seine Sportkarriere viel zu früh beenden. Mitten in der Saison 1980 warf er nach einer erneuten Schulterluxation wenige Monate nach dem ärgerlichen Olympiaboykott für immer das Handtuch.

 Im Olympiajahr 1980 wurde der SC Oberölsbach gegründet und errang gleich im ersten Jahr die Kreismeisterschaft von Mittelfranken. .

 1980 , 1981 und 1983 wurde Hans Eglseer jeweils  Deutscher Vizemeister im Fliegengewicht gr.-röm. Stil und stand 1982  auf dem höchsten Treppchen.

 Absolut „Tote Hose“ war dagegen bei den Freistilern angesagt. 1981 und 1982 ging Billmeiers Truppe leer aus und 1983 konnte Max Schröger mit Rang zwei im Superschwergewicht zumindest Ergebniskosmetik für den BRV betreiben.

 Im gleichen Jahr  erkämpfte sich erwartungs­gemäß  Pasquale Passarelli im neuen Nürnberger Trikot die  Deutsche Meisterschaft im Bantamgewicht und Siegfried Seibold wurde für Reichenhall Titelgewinner im Mittelgewicht. Der griechisch-römisch Spezialist gab dabei im saarländischen Lebach eine großartige Vorstellung und konnte endlich Kurt Spaniol hinter sich lassen.  Die Bilanz verbesserte noch Vizemeister Rainer Weber (Nürnberg) im Halbschwer hinter Uwe Sachs . Passarelli durfte zu diesem Zeitpunkt nur bei Einzelmeisterschaften starten. Ansonsten war er auf Eis gelegt. Seine Wechsel von der Pfalz nach Nürnberg hatte ihm eine zweijährige Sperre für Mannschaftskämpfe eingebracht. Eingefädelt hatte das Ganze Nürnbergs Manager Franz Jung. In einem tollkühnen Coup  flüchtete der CSSR-Nationalringer Miroslav Vanek am Pfingstsonntag  1983 bei einem internationalen Ringerturnier in Rheinhausen. Vermutlich hatte auch hier Jung die Hände im Spiel. Anstatt zum Duschen zu gehen verschwand Vanek nach seinem Turniersieg blitzschnell durch den Hinterausgang, sprang in ein Auto und verschwand nach Nürnberg. Seitdem ist „Miro“ am Zeisigweg beheimatet und inzwischen auch sprachlich ein waschechter Nürnberger geworden.

 Der Autohändler und Puma-Vertreter Jung hatte zuvor auch den 25jährigen Welt- und Europameister Passarelli zum Wechsel ins Frankenland veranlassen können. Am 20.8.1993 gab es zumindest eine gute Nachricht für Passarelli. Der DRB hatte sein Regelwerk geändert und er durfte nach 1 ½ Jahren Sperre für Johannis bei einem Mannschaftskampf  auf die Matte gehen.

 

Foto: Passarelli 1983

 Wer sollte 1984 außer Passaralli nach Los Angeles fahren?