12. Olympische Spiele 1964 | ||||||||||||||
Horst
Bergmann hatte 1964 seine zweite Olympiateilnahme im Visier. Gegen
seinen westfälischen Widersacher Klaus Rost von der Sportunion
Witten-Annen hatte der Lichtenfels bei der DM in Oftersheim bei
Heidelberg nur knapp nach Punkten verloren. Die ARD Sportschau (damals
gab es noch Fernsehübertragungen bei den Ringern) berichtete am Samstag
in Ausschnitten von den Kämpfen. Der Leichtgewichtskampf zwischen Rost
und Bergmann wurde vom Kommentator als der farbigste und beste Kampf der
DM bezeichnet. Der Oberfranke hatte in der ersten Runde mit 6:5 geführt
und beim Schloßgong hatte Rost den Spieß umgedreht und lag mit einem Pünktchen
in Front. Bundestrainer Foeldeak lud zu den Ausscheidungskämpfen für
die Fahrkarte nach Tokio beide Ringer nach Schorndorf ein. Dort behielt
Bergmann die Oberhand und wie 1960 sollte er vor Rost den Vorzug
bekommen. Im Länderkampf gegen die Schweiz war er im Juni 1964 mit 21:1
ebenfalls erfolgreich.
Dennoch verlangte der Bundestrainer einen weiteren Stichkampf in der
Sportschule Grünwald vor der noch ausstehenden Ost-West-Ausscheidung.
Der Nordbayer war bereit und in Topform. Rost kehrte wegen Erkrankung
mit einem Attest vorzeitig heim und die Nominierung blieb weiterhin
offen. Warum
am Ende der Westfale ohne das zugesagte Ausringen doch noch den Vorzug
vor Bergmann erhielt, wird für immer das Geheimnis von Foeldeak
bleiben. Ebenso kann man raten, ob Bergmann anstelle von Klaus Rost in
Japan die Silbermedaille im Leichtgewicht gewonnen hätte. Ich habe im
Frühjahr 1964 als siebenjähriger Erstling mit dem Ringen begonnen. Das
Thema Bergmann war bei allen Bezirksveranstaltungen das Tagesgespräch.
Wird er fahren, wird er nicht fahren? Für
uns Nachwuchsringer wurde der Lichtenfelser Leichtgewichtler mit und
ohne Japanfahrt schon damals zum absoluten Idol. Ich kannte lange nicht
den Familiennamen des blonden Korbstädters. Wußte aber genau, dass der
Bezirksjugendleiter ein Olympiaringer war. Hätte Bergmann für jeden
Fingerzeig eine Mark bekommen, wäre er steinreich geworden. Bei jedem
Jugendturnier fiel der Satz: „Dort drüben der Blonde war bei den
Olympischen Spielen! Wo sitzt der? Dort am Tisch!“. Und
dann haben alle Buben und Betreuer mit dem Finger auf Bergmann gezeigt. Am
10. Oktober des Olympiajahres 1964 (auch hier ist deshalb 1999 ein
kleines Jubiläum für 35
Jahre zu feiern) begann die neue Ringerbundesliga ihren Lauf. 12 Vereine
hatten sich in Neckarau in stundenlangen Verhandlungen zur Einteilung für
Nord und Süd geeinigt. Im Süden waren mit dem ESV Neuaubing und dem SV
Siegfried Hallbergmoos gleich zum Auftakt zwei bayerische Vereine
vertreten. Es gab im Gründungsjahr keinen Absteiger, denn man wollte ab
1965 um zwei weitere Mannschaften auf je acht Vereine aufstocken. Die
Matte mußte in der Bundesliga mindestens 6 x 6 m groß sein. Nur
Hallbergmoos erhielt für sein kleines Veranstaltungslokal die
Ausnahmegenehmigung, für ein Jahr weiterhin auf der 5 x 5 m Matte zu
ringen. Mit damals nur 25 m2 überbieten
die jetzigen 12 x 12 m Matten diese um die vier- bis fünffache Größe. Hallbergmoos
hatte den Platz in der Bundesliga mit einem 8:6 Erfolg und einer 9:8
Niederlage gegen SC 04 Nürnberg nur ganz knapp mit einem Punkt
Vorsprung erkämpft. Das
Dreimannkampfricht „sollte“ laut DAB in der neuen Bundesliga höchstens
250 DM Entschädigung erhalten. Dies entsprach immerhin dem Wochenlohn
eines Facharbeiters.
Foto: Neuaubing 1965,
Aufstellung siehe unten 1965
gab es zwischen Damm und Neuaubing eine Retourkutsche und diesmal
behielt nach einem Jahr Abstinenz wieder der ESV gegen Damm die
Oberhand. 2800 Zuschauer verfolgten den 11:6 Erfolg in München. Toraman,
Cay, Tauer, Stich, Schweitzer, Neumair, Obermeier, Sterr und Gammel
holten für den ESV die vierte und
für Bayern die sechste Meisterschaft. Dies war jedoch die letzte
weiß-blaue Beteiligung bei
einem Bundesendkampf. Der
28jährige Metzgermeister Josef Gammel schaffte als Schlußmann gegen
Gerdsmeier mit einem Hammerlock den entscheidenden Schultersieg. Bei
den Deutschen Jugendmeisterschaften in Burghausen sahnte Bayern fünf
Meisterschaften ab. Titelträger wurden Fritz Huber (40 kg Reichenhall),
Heinrich Eibauer (47 kg Traunstein), Manfred Schöndorfer (67 kg
Reichenhall), Reinhard Bohlius (67 kg Lichtenfels) und Max Mitterbichler
(79 kg Traunstein). Vizemeisterschaften errangen noch Ludwig Niedermeier
(57 Neuaubing) und Harald
Schiller (73 kg Mietraching). Das Talent von Huber und Schöndorfer
wurde bereits hier erkannt. Ihre Vereinsstaffel belegte bei der
Deutschen Jugendmannschaftsmeisterschaft in Aalen Rang zwei. 1965 gewann Horst
Bergmann als
einziger Bayer einen Titel bei den Freistilmeisterschaften der Männer
in Berlin. Dies war seine zweite Deutsche Meisterschaft im
Leichtgewicht.
Foto
1965 Siegerehrung in Berlin, von links: Zeiher
Brötzingen, Bergmann, E. Seger Freiburg Im
Juli 1965 stieg der SC 04 Nürnberg in die Bundesliga auf. In der
Aufstiegsrunde konnte hinter dem TSV Stuttgart-Münster Rang zwei vor
Viernheim und Schiffweiler belegt werden. Dies reichte 04 zur
Erstklassigkeit.
Foto: SC 04
Nürnberg 1965 mit Cankaya, Rieß, Günther, Füglein, Herrmann, Kederazeh, Bering und Schäfer Der
Generalsekretär der FILA brachte einen umwerfenden Plan vor. Bei
passiver Kampfführung sollte eine Verwarnung eingeführt werden. Um die
Aktivitäten der Ringer anzukurbeln sollte bei einem Punktvorsprung von
sieben Punkten nach Ablauf der regulären Wettkampfzeit dem führenden
Ringer die gleichen Punkte wie bei einem Schultersieg zugesprochen
werden. Der Punktsieger sollte in diesem Fall nicht mit einem Fehlpunkt
bestraft werden. Dies war vermutlich die Geburtsstunde der ständigen
Regeländerungen bei der FILA. Der Generalsekretär war damals übrigens
Milan Ercegan. Die sieben Punkte wurden später wieder abgeschafft, dann mit 15 Punkten
Vorsprung wieder eingeführt und auf 10 Punkte inzwischen reduziert.
Damit alle Klarheiten beseitigt wurden, hat man natürlich zwischen
Turnier- und Mannschaftskämpfen nochmals einen Unterschied in
Deutschland eingeführt. In der Runde gilt das 15-Punktlimit, während
bei Einzelmeisterschaften nur zehn Punkte erforderlich sind. 1965
trennte sich ein Teil der Schwerathleten von der Regensburger
Turnerschaft und gründeten den 1. AC Regensburg. Vorsitzender des neuen
Vereins wurde Hans Aigner. Die Domstädter begannen mit Gewichtheben und
bauten später zusätzlich eine Ringerabteilung auf. In
6000 freiwilligen Arbeitsstunden baute sich der neue Bundesligist SV
Siegfried Hallbergmoos eine eigene Ringerhalle. Am 23.10.1965 konnte sie
eingeweiht werden und machte das kleine Ringerdorf mit den später noch
zu schildernden Erfolgen bald in ganz Deutschland bekannt. Zwischen
1948 und 1965 standen nicht weniger als siebzehnmal bayerische
Ringervereine im begehrten Finale um die Deutsche
Mannschaftsmeisterschaft. Der
KSV Bamberg, der 1. AC Bad Reichenhall, die Einigkeit Aschaffenburg-Damm
und nicht zuletzt der ESV Neuaubing
sind, bzw. waren
wohlklingende Namen und gehörten
in der Nachkriegs- und anschließenden Wirtschaftswunderzeit zur
absoluten deutschen Spitzenklasse. Ab
1966 wurde von der FILA die
Kampfzeit auf 3 x 3 Minuten abgeändert. Laut FILA fielen 80 % aller
Griffe in den ersten zwei Minuten. Die restlichen drei Minuten wurden in
den beiden Abschnitten zum „Schieben“ verwandt. Man verkürzte also
von 2 x 5 auf 3 x 3 Minuten und erhoffte sich in jeder Runde zwei „heiße“
Minuten und eine „ruhige“ Minute. Diese Änderung brachte ebenso wie
die noch unzähligen nachfolgenden FILA-Änderungen wenig ein. Ich weiß
nur noch, dass die dritte Runde immer die schwerste war und dass man als
Kampfrichter bei zwei Schwergewichtlern auch in der dritten Runde keine
Aktionen mehr erwarten konnte. Am
22.6.1966 erklärte Jean Foeldeak öffentlich in der Zeitschrift
Athletik seinen Rücktritt als
Sportwart (Bundestrainer). War dies für Bayern der Anfang vom Ende? Hallbergmoos
konnte 1967 sowohl mit der
Jugendstaffel die Deutsche Mannschaftsmeisterschaft verteidigen, als
auch bei den Männern die Süddeutsche Bundesliga gewinnen. Die Jugend
des SV Siegfried gewann die Mannschaftsmeisterschaft von 1966 bis 1968
dreimal in Reihenfolge. Bei den Männern gab im Leichtgewicht 1967 ein
Vereinsfinale bei der DM in Köln. Helmut Vogl und Günther Niedermair
holten im Freistil Platz eins und zwei nach Hallbergmoos. Der
Nürnberger Walter Bering konnte im Bantam Karl Dodrimont schultern und
wurde hinter Paul Neff (Schifferstadt) ebenso Deutscher Vizemeister wie
Alfons Hecher (Hallbergmoos) im Halbschwergewicht. Die Länderwertung
der Männer ging im Freistil dadurch
an Bayern.
Foto: Walter Bering in der
Oberlage Bei
den Deutschen Juniorenmeisterschaften in Nürnberg gewann Bayern mit fünf
Titelträgern ebenso die Länderwertung im Freistil. Hans Edfelder (SC
Anger), Manfred Schöndorfer (AC Bad Reichenhall), Harald Schiller,
Ludwig Niederländer (
beide SV Mietraching) und Reinhard Mörschburger (SpVgg Freising) wurden
Meister. Schöndorfer gewann in Groß-Bieberau auch die klassische
Meisterschaft der Junioren. A-Jugendmeister
wurde in der 48 kg Klasse Fritz Huber vor Siegfried Veil. Beide wurden
später international im Freistil eingesetzt. Ludwig Niederländer (SV
Mietraching) und Georg Vorbuchner (TSV Trostberg) machten es Huber im
Halb- und im Schwergewicht nach. Zwei Vizemeisterschaften von Hubert
Rampf und Peter Niedermair brachten auch bei der A-Jugend den Gewinn der
Länderwertung. Doppelmeister bei der A-Jugend wurden Huber, Niederländer
und Anton Grassmann. Der Reichenhaller gewann hierbei gegen den späteren
Bundestrainer Detlef Schmengler. Eine Kampfszene zwischen dem
Westfalenringer und Grassmann zeigt die Überlegenheit des Bayern.
Foto:
Grassmann wirft Schmengler Mit
Neuaubing war neben Hallbergmoos nach dem Abstieg von 04 Nürnberg 1967
immerhin eine zweiter Riege im Freistaat erstklassig. 80
Ringermannschaften gingen in der Runde des Jahres 1967 an den Start.
Nach zwei Rückzügen gab Landespressewart Eugen Lienhard
folgende Endstände bekannt:
Einige
Vereine hiervon sind für immer von der Bildfläche verschwunden. Eine
gute Mannschaft hatte damals auch der SV Gostenhof. Der Meister von 1966
ist zur Jahrtausendwende zwar nur noch eine Karteileiche, doch damals
war der Nürnberger Verein Spitzenklasse in der Landesliga und stieg bis
zur höchsten Leistungsklasse auf.
Foto:
SV Gostenhof 1966 mit Leopoldsberger, Fritz, Trainer Fleischmann,
Pickel, Knorr und kniend Hofmann, Stenglein, Scharrer, Mader
1967
war für die Ringerfans die Medienwelt noch in Ordnung. 556
Sportjournalisten setzten bei der Wahl „Sportler des Jahres 1967“
einen Ringer auf Rang drei. Obwohl Ringen schon damals nicht zu den
populärsten Sportarten zählte und die Schwerathleten auch zu dieser
Zeit meist im Schatten stehen mußten gab es folgendes Ergebnis bei der
Sportpressewahl: 1.
Kurt Bendlin (Zehnkampf-Weltrekordler) 2.
Wilhelm Bungert (Tennis, Wimbledon-Finalist) 3.
Wilfried Dietrich (Europameister 1967) Auf
Rang 12 und 33 landeten abgeschlagen die bestplazierten zwei Fußballer
mit dem Namen Gerd Müller und Franz Beckenbauer. Diese Reihenfolge ist
doch beachtlich! Seine
Karriere als internationaler
Kampfrichter beendete Josef Böck 1967 um abschließend als langjähriger
Sportwart beim BRV bis zum Beginn der 80er Jahre sein Fachwissen auch
weiterhin ehrenamtlich zur Verfügung zu stellen. Nachfolgend ein
kleines Foto von Josef Böck als aufmerksamer
Schiedsrichter im Finalkampf der DMM 1967 zwischen Köllerbach und
Schifferstadt.
Foto:
Josef Böck 1967 Der
vom SC Apollo München stammende Olympiateilnehmer des Jahres 1936
verstarb am 6.5.1999 in Fürstenfeldbruck. Der Bezirkspokal der
A-/B-Jugend trägt noch
immer seinen Namen. Meine
Chronik über Bayern verfügt leider über eine große Lücke.
Eigentlich müßten auch sämtliche Erfolge der Unterfranken aus dem
Maingau aufgelistet werden. Warum die Sportler aus dem Maingau im
Nachbarland Hessen ringen, habe ich Anfangs schon erläutert. Zudem würde
dies eine eigene Broschüre erforderlich machen und der Hessische
Ringerverband wird dies sicher auch irgendwann nachholen. Allein für
die Erfolge des Alexander Leipold vom SC Wasserlos würden einige
Seiten benötigt werden. Ich möchte als Beispiel einen Sportler
aus der Vergangenheit herausheben. Laut seinem Personalausweis ist er
ein geborener Bayer und blieb diesem Land ringerisch bis auf einen
kurzen Abstecher nach Witten immer treu. 1967 wurde der Kleinostheimer Gerhard
Weisenberger mit 15 Jahren erstmalig Deutscher Jugendmeister in der
43 kg Klasse. Bis 1970 folgten fünf weitere Jugendtitel. Von 1971 bis
1973 drei Junioren- und drei Seniorenmeisterschaften im Freistil für
Kleinostheim. Auch er stand 1972 und 1976 im Olympiaaufgebot. Er
wechselte als Ringer 1974 nach Aschaffenburg und schaffte noch zwei
DM-Titel im Trikot der Einigkeit Aschaffenburg-Damm. Im Frühjahr 1977
wechselte er zu Bavaria Goldbach und anschließend ins Ruhrgebiet. Später
feierte er nach seiner Rückkehr aus Witten ab 1989 mit Bavaria Goldbach
am Mattenrand unzählige Titel. Ein Foto des erfolgen Ringer und Trainer
darf in dieser Chronik nicht fehlen.
Foto:
Weisenberger 1975 EM-Dritter Leichtgewicht
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