24. Die stade Zeit

 

Zuerst blamierte sich der BRV bei den Bayerischen Meisterschaften. Eine neue FILA-Regel, veröffentlicht am 9.2.2001 durch den DRB, wurde bereits am 10.2.2001 in Westendorf sofort umgesetzt. Der Durchdreher wurde nur noch mit einem Punkt bewertet und der dynamische Zwiegriff wurde eingeführt. Wenn der Jugoslawe Ercegan eine Blähung hat, so "furzt" der DRB immer artig mit und der BRV übernimmt ebenfalls treu und brav alle internationalen Regeln. Einige Jugendringer hatten von den Neuheiten erst nach dem Abwiegen erfahren und wurden unvorbereitet im Finale um den verdienten Titel gebracht. Zwischen Samstag und Sonntag wurden in Westendorf nochmals die Regeln angepasst und für die gefährliche Lage das Anzählen ab- und wieder angeschafft.  Die Umsetzung in der Praxis interessierte Funktionäre noch nie. Nur drei Wochen hielten die unsinnigen Neuerungen und die FILA nahm die Änderungen beim Durchdreher wieder komplett zurück. Anstatt abzuwarten, mussten die Bayern erst eine Rolle vorwärts und dann wieder eine Rolle rückwärts machen. Vielleicht lernt man aus diesem Fehler. Nicht alle Teilnehmer bei Bezirks- und Landesmeisterschaften starten bei einer WM oder bei Olympischen Spielen. Deshalb sollte man nicht in allen Leistungsklassen immer sofort die FILA-Änderungen realisieren.

 

Die wirklich stade Zeit brach dann Ende Februar Jahr 2001 an. Nicht nur Bayern, sondern ganz Deutschland wurde bei den Ringern in Sippenhaft genommen. Der Karlsteiner Leipold wurde als Buhmann der Nation hingestellt und über alle DRB-Sportler eine internationale Sperre verhängt. Am 5.3.2001 mußte die Hoferin Ann-Kathrin Rietschel wieder ihre Sporttasche auspacken, den an einen Start beim Klippan-Turnier in Schweden war nicht zu denken. Folgendes Schreiben wurde vom DRB veröffentlicht:  "Der Ringerweltverband FILA hat mit Schreiben vom 26. Februar 2001 den Deutschen Ringerbund von jeder internationalen Aktivität vorläufig gesperrt. Diese Sperre bezieht sich auf alle Altersklassen und Ringer(innen) des Deutschen Ringer-Bundes. Eine Teilnahme an internationalen Turnieren im Ausland ist bis auf weiteres für alle Mitglieder des DRB nicht zulässig.   gez.: Josef Berwind "   

 

Leipold reagierte als fairer Sportler am 5.32001 mit diesem offenen Brief:

Sehr geehrte Herren der FILA,

hiermit bitte ich sie die Sanktionen gegen den Deutschen Ringerbund (DRB) aufzuheben. Nachdem mir bekannt wurde, dass dem DRB durch die FILA Sanktionen drohen, habe ich ab dem 11.02.2001 zum Wohle des Ringkampfsports nicht mehr gerungen und auch schon meinen Verzicht auf die Teilnahme an der Deutschen Einzelmeisterschaft erklärt.

Ich bitte Sie herzlich, Ihre Maßnahmen nicht auf diejenigen zu erstrecken, die am Stand der Dinge völlig unbeteiligt sind, nämlich die deutschen Ringerinnen und Ringer. Sie alle leben und engagieren sich für ihren Sport. Sie alle treten zum Wohle und Ansehen des internationalen und nationalen Ringens sportlich fair auf.

Außerdem bestätige ich Ihnen hiermit, dass ich bis zu einem Ergebnis beim IOC / CAS keinen Wettkampf bestreite.

Die Sanktionen gefährden außerdem den "Großen Preis von Leipzig". Dieser Wettkampf ist ein Aushängeschild für das Ringen in Deutschland und der Welt.

Der DRB hat mich im Rahmen seiner Möglichkeiten gesperrt. Der Freispruch wurde nur durch ein staatliches Gericht ausgesprochen, auf das der DRB keinen Einfluss hat. Der DRB hat mit allen seinen Mitteln versucht die Anweisung der FILA zu folgen. Ich bitte sie hiermit nochmals im Namen des Ringkampfsports die Sanktionen aufzuheben.
Mit sportlichen Grüßen
Alexander Leipold

 

Durch diese Schlagzeilen blieb der Dopingfall des Kelheimer Murat Cebi von der Öffentlichkeit völlig unbemerkt und lediglich das Urteil mit der Sperre in der Fachzeitschrift "Der Ringer" wies im Februar 2001 auf diese Vorkommnisse hin. Die FILA erlaubte nach einigen Bittgängen des DRB zwar ab der EM in Budapest allen deutschen Sportlern im Frühjahr 2001 einen Start im Ausland und ließ auch den Großen Preis von Leipzig zu, nahm der Sachsenmetropole jedoch die WM für 2003 ab.

 

Das Jahr 2001 verlief aus bayerischer Sicht sehr gut.  Das Resümee lautet nach den DM-Einzelmeisterschaften im Sommer 2001: Von 82 Nachwuchstiteln gingen 19 an den BRV. Zehn Silber- und elf Bronzemedaillen wurden zusätzlich gewonnen. Vierzig bayerische Buben standen bei den DM-Siegerehrungen auf dem Podest.  Beim Länderpokal in Schwäbisch Gmünd belegte Bayern mit der A/B-Jugend Platz zwei. Die Mädchen besiegten Nordrhein-Westfalen in der Stauferstadt im Finale mit 18,5 : 4 und belegten Rang eins.  Im Nachwuchsbereich war der BRV somit im Jahr 2001 das Maß aller Dinge. Die Gesamtländerwertung 2001  (ein­schließlich Männer) ging mit 786 Punkten  an die LO Bayern gefolgt von Brandenburg mit 648 und Hessen mit 627 Punkten. Hier wurden die Plätze eins bis zehn berücksichtigt. Beim Medaillenspiegel sah es ähnlich aus. 55 Medaillen holte die LO Bayern insgesamt , 43  Brandenburg und 36 Hessen. Nahm man den Medaillenspiegel genauer unter die Lupe, fiel auf, dass halt bei den Männern nur eine Silbermedaille (Marco Greifelt)  und drei Bronzene (Thomas Sedlmeier, Christian Klouczek, Jochen Engelhardt) errungen wurden. Die Frauen hatten dagegen fünf Titel , vier Silber- und zwei Bronzemedaillen errungen. Die bayerischen Männern hinkten demnach national noch immer hinterher. Das kleine Land Thüringen hatte im Freistil die Länderwertung bei den Männern gewonnen und gezeigt, wo der Weg lang geht. Von ihren 15 Athleten waren 14 vom Guts-Muths-Sportgymnasium Jena. Nur über eine Kooperation von Verein, Schule und BRV kann man in Bayern an den nationalen und später auch internationalen Leistungsstand kommen. Alles andere bleibt auf dem Niveau von Talenten stehen. Bayern hatte seit 1972  immer ausreichend  Talente, doch nie etwas daraus gemacht. Allerdings ist dieser Weg für den Flächenstaat Bayern schwer zu begehen. Wo soll ein Sportgymnasium für Ringen entstehen? Würden die Jugendringer ihre Heimatstadt verlassen und in einem zentralen Ringerinternat  professionell  trainieren? Es ist leichter gesagt als getan!

 

Zur Vervollständigung sei erwähnt, dass nach 5 1/2 Jahren Präsident Berwind nicht mehr kandidierte und am 30.6.2001 bei den Neuwahlen in Aichach DRB-Kampfrichterreferent Manfred Werner seinen Posten übernahm. Am 30.6.2001 gab es nur noch 93 bayerische Ringervereine. Davon waren 69 Vereine nach Aichach zur Abstimmung gefahren, die über 166 Stimmen verfügten. 19 Stimmen hatte allein der Verbandsausschuss. Man sollte lieber den Verbandsausschuss reduzieren und dafür die Anzahl der Vereine erhöhen. Die Schallmauer von 100 Vereinen rückt in immer weitere Ferne, während der Verbandsausschuss immer größer wird. Die Rücklage des Verbandes war laut Revisionsbericht zwischen 1996 und 2001 von 82.000 DM auf 7.000 DM gesunken (Bayernsport vom 17.7.2001 Seite 12). Man hatte deshalb ab dem Jahr 2001 den teilnehmenden Sportlern den Zuschuss von 70 DM für die Deutsche Meisterschaft gestrichen. Der BRV sollte sich finanziell wieder erholen können. Bei 20 Buben sind dies je Stilart und Altersklasse immerhin 1.400 DM. Pro Wochenende spart der BRV deshalb bei einer Jugend-DM in beiden Stilarten 2.800 DM. Ob man da nicht besser an den Reisekosten der Funktionäre hätte sparen können? Je Jugend-DM fährt ein Delegationsleiter mit, dessen einzige Aufgabe die finanzielle Abwicklung ist und der deshalb zwischen Freitag und Sonntag zwischen den Ehrenplätzen in der Turnhalle und dem Hotel pendeln muss. Aber ich will nicht schon wieder kritisieren, auch wenn ich es beruflich als Kämmerer gewohnt bin Einsparungen zu erforschen und auch zu realisieren.

 

 

Sieben Jahre nach Kittners Vizeweltmeisterschaft errang wieder ein Bayer eine internationale Medaille. Bernhard Mayr vom TSV Trostberg wurde im Juli 2001 in Izmir Vizeeuropameister der Kadetten (U 17) in der Klasse bis 69 kg im klassischen Stil. Im Freistil waren noch vier weitere Bayern in der Türkei vertreten. Thomas Sedlmeier (50 kg), Florian Thurnhofer (63 kg),

Florian Dörfler (69 kg) und Manfred Ortner (100 kg) kamen nach Einzelerfolgen nicht über die Vorrundenkämpfe hinaus. Dennoch waren fünf BRV-Ringer ins Nationaltrikot geschlüpft und auch hier besteht Hoffnung, dass zumindest einer dieser Ringer später im Männerbereich mal einen DM-Titel holen kann.

 

Foto: Bernhard Mayer (links) 2001 in Izmir 

 

 

 

Der zeitweilige Goldmedaillengewinner Alexander Leipold hatte im Juli 2001 vor dem Internationale Sportgerichtshof CAS in Lausanne einen Teilerfolg erringen können. Der Internationale Sportgerichtshof wies zwar den Einspruch des Freistilringers gegen die Aberkennung der Goldmedaille ab, verkürzte aber endlich die Sperre des Weltverbandes FILA auf ein Jahr. «Das CAS begründete die Abweisung unseres Einspruches gegen die Aberkennung der Goldmedaille damit, dass Alexander seine Unschuld nicht nachweisen konnte», sagte Leipolds Anwalt  der Presse.

 

Anfang August 2001 waren mit Thomas Sedlmeier (50kg, Hallbergmoos), Christian Wolfrum (69kg, wechselte in diesem Jahr zum SC Anger) und Steffen Hartan (85 kg, Lichtenfels) drei Freistiler und dem Klassiker Bernhard Mayr (69 kg Trostberg) vier bayerische Juniorenringer bei der Junioren-WM in Taschkent/Usbekistan vertreten. Es sprang zwar keine Medaille heraus, doch dieses Los teilten die Bayern mit allen DRB-Vertretern bei dieser WM. Der Sprung an die nationale Spitze war Bayern im Juniorenbereich im Jahr 2001 offensichtlich gelungen.

 

 

Ende August begann wieder die Zungenbrechersaison in der 1. Bundesliga. Die Listen der Mannschaftsringer können seit dem Bosman-Urteil teilweise nur noch mit akademischer Ausbildung gelesen und ausgesprochen werden. Eine Ausnahme in den Bundesligen machte hier der SV Hallbergmoos. Überwiegend Eigengewächse aus der eigenen Jugend oder zumindest der näheren Umgebung standen in der Saison 2001/2002 im Kader zur Verfügung. Hier die offizielle Meldung an den DRB im Sommer 2001:  54 F: Tanyu Tanev (27), Claudius Einsiedler (17), 54G: Thomas Sedlmeier (17), Andreas Niedermair (17), 58G: Thomas Killersreiter (25), 63F: Wolfgang Wagner (22), Florian Turnhofer (17), Sebastian Turnhofer (18), 69G: Jochen Engelhardt (26), Niklas Hentunen (31), Markus Niedermair (19), 69F: Dominik Zeh (24), Florian Wagner (19), 76F: Rainer Morasch (21), Christian Bauer (21), 76G: Mohammad Babulfath (22), Joseph Gruber (19), Ralf Neudorfer (19), 85F: Georg Schatz (28), 85G: Yvon Riemer (31), 97G: Jimmy Lidberg (20), Iljas Christodouluo (27), 130F: Efstatios Topalidis (23) und 130G: Hans Hofstetter (31). Als Trainer stand am Mattenrand der Schwede Sonny Davidsson, der bereits seit Mitte der 90er Jahre den Nachwuchs und die Männermannschaften in Hallbergmoos unter seinen Fittichen hat.

 

Seine Staffel drang bis ins Viertelfinale um die Deutsche Mannschaftsmeisterschaft vor. Gegen Rotation Greiz gab es eine Niederlage und einen Sieg und die Thüringer zogen ins Halbfinale gegen Aalen ein. Die Begegnungen wurden sowohl vom MDR als auch vom BR im Fernsehen gesendet. Der Sportreporter vom BR schwärmte von der guten Stimmung, der Spannung, der Dramatik und den Leistungen beider Staffeln in der Hallberghalle.

 

Der Trostberger Bernhard Mayr (Jahrgang 1984) und Brigitte Wagner vom SV Hallbergmoos wurden vom DRB 2001 als die Junioren-Ringer des Jahres gewählt. Verbunden mit der Auszeichnung war eine Geldprämie von 250 Euro. Klassiker Mayr hatte im Juni in Izmir die Silbermedaille in der 69 kg-Klasse errungen und war somit 2001 der einzige männliche Medaillengewinner im Nachwuchsbereich des DRB. Die Hall­bergmooserin Brigitte Wagner (Jahrgang 1983) gewann bei der Juniorinnen-WM in Martigny/ Schweiz die Klasse bis 46 und bei der Frauen-WM ins Sofia Bronze.